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Das Foto zeigt eine rennende Kuh auf einer Landstraße. Sie ist ein Symbol dafür, den Digitalisierungsstau in Städten und Gemeinden hinter sich zu lassen und auf die digitale Überholspur zu wechseln.
10 Juli 2025| doi: 10.5281/zenodo.15855351

Raus aus dem Digitalisierungsstau: Data Governance bringt Städte und Gemeinden auf die digitale Überholspur

Deutsche Städte und Gemeinden übernehmen viele Aufgaben, die unseren Alltag möglich machen: Sie organisieren Verkehr, kümmern sich um Schulen und Kitas und sorgen für soziale Angebote. Viele dieser Aufgaben könnten durch digitale Lösungen besser und einfacher werden, zum Beispiel mit nutzer*innenfreundlichen Apps für den Nahverkehr, digitalen Dienstleistungen im Amt oder eine datenbasierte Verkehrsplanung für weniger Staus. Doch damit solche digitalen Lösungen ihr Potenzial entfalten können, müssen Daten aus verschiedenen Quellen sinnvoll zusammengeführt werden. In der Praxis ist das häufig mit erheblichen Hürden verbunden. Nicht selten scheitern Projekte, die Daten verwenden, bereits in der Planungsphase und geraten in einen Digitalisierungsstau. Wir haben untersucht, was die Gründe dafür sind, und auf Basis unserer Forschung ein digitales Handbuch entwickelt: den Data Governance Wegweiser. Dieser unterstützt deutsche Verwaltungen dabei, Projekte mit Daten strukturiert und rechtssicher umzusetzen – damit digitale Lösungen den Weg in die Praxis finden und spürbaren Nutzen für Bürger*innen schaffen.

Wozu dient Data Governance?

Stell dir vor, der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) würde den Fahrplan tagesaktuell an die tatsächliche Zahl der Passagier*innen anpassen. Dann könnte er bei höherem Bedarf zum Beispiel größere Fahrzeuge einsetzen oder die Taktung erhöhen. Technisch wäre das möglich und auch die nötigen Daten sind grundsätzlich vorhanden. Damit ein solches Projekt umgesetzt werden kann, müssen viele Stellen zusammenarbeiten: Die Verkehrsbetriebe liefern Daten zu Routen, Fahrzeugen und Passagier*innenströmen, die Stadt zur Verkehrssituation. Ein Technologieanbieter stellt zusätzlich die Software für die Planung bereit. Diese Kooperation muss außerdem so gestaltet werden, dass alle Gesetze – darunter insbesondere der Datenschutz – eingehalten werden. Dafür muss klar geregelt werden: Wer darf welche Daten verarbeiten? Wofür dürfen sie genutzt werden? Wie werden sie geschützt und wie lange dürfen sie gespeichert werden? Und welche Anforderungen müssen die Daten eigentlich erfüllen, damit Verwaltungen damit überhaupt Entscheidungen treffen können?

Hier setzt Data Governance an: Sie legt Spielregeln für die Datenverarbeitung fest, verteilt Zuständigkeiten und strukturiert den Prozess. Außerdem sorgt Data Governance dafür, dass die Rechtssicherheit stets gewährleistet ist und alle Beteiligten am Ende einen spürbaren Nutzen haben. So sollen digitale Innovationen nicht nur technisch möglich sein, sondern unser Leben tatsächlich verbessern. Denn obwohl das Ziel und die Regeln häufig bereits klar sind, kommen viele digitale Projekte aktuell trotzdem nicht ans Ziel. Sie stecken in einem Digitalisierungsstau fest. Warum ist das so?

Warum ist die Umsetzung von digitalen Lösungen in Städten und Gemeinden oft so schwierig?

Es gibt viele Gründe, warum Digitalisierungsprojekte ins Stocken geraten. Der wichtigste: Verwaltungen, Unternehmen und Bürger*innen blicken je nach Anwendungsfall unterschiedlich auf Daten. Für die einen sind sie eine Chance, etwas Sinnvolles zu machen, für die anderen bergen sie Risiken. Damit Daten genutzt werden können, muss der Nutzen größer sein als die Risiken.

Das Problem dabei ist, dass vor allem Risiken beim Datenschutz oder die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen häufig sofort spürbar sind, wenn es darum geht, Daten mit Dritten zu teilen. Der Nutzen dagegen zeigt sich oft erst später, etwa wenn die flexible Taktung des Busverkehrs verlässlich funktioniert und tatsächlich zu höheren Fahrgastzahlen führt. Ein weiteres Problem entsteht, weil die benötigten Daten über viele verschiedene Stellen – Verwaltung, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und zunehmend auch die Bürgerschaft – verteilt sind. Da sich die Bewertungen von Nutzen und Risiken je nach Fall ändern und Gesetze sowie Technik ständig neu angepasst werden, braucht es flexible Lösungen. Viele bestehende Data Governance Konzepte sind oft zu kompliziert oder vor allem technisch und funktionieren deshalb nicht gut in der Praxis.

Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen die Beteiligten drei Bereiche in Einklang bringen: Erstens müssen sie die Abläufe bei einer Zusammenarbeit für ihr konkretes Vorhaben untereinander abstimmen. Zweitens müssen sie sicherstellen, dass die digitalen Lösungen reibungslos funktionieren und drittens rechtliche Vorgaben einhalten. Bislang fehlten Ansätze, um das nicht nur in Einzelfällen, sondern auch allgemein und unkompliziert in noch mehr städtischen Verwaltungen und Gemeinden von den Mitarbeiter*innen vor Ort eigenständig umzusetzen.

Wobei der Data Governance Wegweiser konkret hilft

Aus diesem Grund haben wir in unserem Projekt „Data & Smart City Governance” den Data Governance Wegweiser entwickelt. Dieses digitale Handbuch richtet sich direkt an Verwaltungen, Unternehmen, Politiker*innen und Bürger*innen. Städte und Gemeinden erhalten mit dem digitalen Handbuch eine praktische Anleitung in drei Schritten, mit der sie Datenprojekte unter Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben und nachvollziehbar planen und umsetzen können. Der Wegweiser wurde sehr anwendungsnah entwickelt und in vielen unterschiedlichen Bereichen praktisch getestet, bspw. beim Luftgütemanagement in Berlin oder bei der Digitalstrategie in Haßfurt.

„Maßnahmen müssen bedarfsgerecht geplant werden. Doch wann ist eine Maßnahme bedarfsgerecht? Da setzt der Wegweiser an. Er befähigt die Kommune, Prozesse und geplante Maßnahmen strukturiert nachzuvollziehen, plakativ aufzuzeichnen und dabei an wesentlichen Stellen Prozesse, Akteure, Daten und damit verbundene Potenziale aufzuzeigen.“ — Thorsten Kempf, Chief Digital Officer Modellprojekt Smart Green City Haßfurt

Ziel war es, zu untersuchen, wie öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft bei der Datennutzung und -verarbeitung zusammenarbeiten können, um gemeinsam zu sauberer Luft beizutragen. Mithilfe solcher Projekte konnten wir sicherstellen, dass der Ansatz nicht nur theoretisch funktioniert, sondern tatsächlich praxistauglich ist.

Der Wegweiser für praxisnahe und skalierbare Data Governance (abrufbar unter www.hiig.de/data-governance-wegweiser)

In drei einfachen Schritten zeigt der Wegweiser, wie datenbasierte Projekte von Anfang an besser aufgestellt werden können: 

  1. Prozesse verstehen: Zunächst hilft er, Prozesse sichtbar zu machen und Zuständigkeiten zu klären. Unsere Forschung hat gezeigt, dass Abläufe in der Verwaltung nicht transparent dokumentiert sind. Daraus resultieren unklare Zuständigkeiten und rechtliche Unsicherheiten im Umgang mit Daten, die viele Vorhaben früh ausbremsen. 
  2. Daten erschließen: Daran anschließend wird im zweiten Schritt ermittelt, welche Daten an welchen Stellen im Prozess sinnvoll eingesetzt werden können. Erst dann wird geprüft, wer diese Daten hat, wie man sie bekommt und welche rechtlichen, organisatorischen oder technischen Fragen dabei zu beachten sind. 
  3. Veränderung anstoßen: Im dritten Schritt geht es darum, Beteiligte gezielt einzubinden, um Vertrauen zu schaffen, Konflikte frühzeitig zu lösen und die Mehrwerte für alle zu kommunizieren. Wir haben gesehen, dass viele Vorhaben schon früh enden, weil es häufig bereits innerhalb der Verwaltungen schwierig ist, Mitarbeitende vom konkreten Nutzen digitaler Projekte zu überzeugen. Noch schwieriger wird es, wenn externe Akteure wie Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder Bürger*innen beteiligt sind. Zwar gibt es formelle Beteiligungsverfahren, diese reichen jedoch oft nicht aus, um unterschiedliche Erwartungen an den Nutzen und Risiken vollständig zu erfassen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Konflikte werden so meist erst spät sichtbar und lassen sich dann nur noch schwer lösen.

Der Wegweiser bietet eine Vielzahl an Vorlagen, Checklisten und konkreten Beispielen, um Verwaltungsmitarbeitende, Unternehmen, Politiker*innen und Bürger*innen erfolgreich durch diese drei Phasen zu führen. Dabei werden folgende rechtlichen, organisatorischen und technischen Fragen einfach beantwortet: Wie läuft der Prozess ab und wer ist beteiligt? Welche Daten spielen eine Rolle und wie werden sie verarbeitet? Wie wird sichergestellt, dass alles den rechtlichen Anforderungen entspricht und der Nutzen die Risiken überwiegt? Und wer kann sich wann und auf welche Weise in den Prozess einbringen und mitentscheiden? Damit wird aus abstrakter Theorie ein praktisches Werkzeug, das Kommunen Schritt für Schritt dabei unterstützt, ihre digitalen Ideen auf die Überholspur zu bringen.

Wie Data Governance Städte und Gemeinden auf die digitale Überholspur bringt

Digitale Projekte lassen sich erfolgreich umsetzen, wenn alle Beteiligten gut abgestimmt zusammenarbeiten und die richtigen Strukturen dafür vorhanden sind. Data Governance schafft die Grundlage, dass Digitalisierung nicht an Unsicherheiten und Unklarheiten scheitert, sondern ihr Potential entfalten kann. Das heißt: Politik und Verwaltung erhalten bessere Entscheidungsgrundlagen, Bürger*innen sparen Zeit durch digitale Lösungen und haben einfacheren Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen. Unternehmen können ihre digitalen Lösungen in Städten verwerten, da sie die Anforderungen der Kommunen an die Arbeit mit Daten kennen. Der Data Governance Wegweiser unterstützt dies und zeigt, wie aus vielen verschiedenen Interessen ein gemeinsames Vorgehen wird, das alle Beteiligten einbezieht und mitnimmt. So wird aus digitalem Wandel keine abstrakte Vision, sondern eine greifbare Entwicklung, die das Leben in Städten und Gemeinden tatsächlich verbessert.

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Maurice Stenzel, Dr.

Senior Forscher: Human in the Loop? & Daten, Akteure, Infrastrukturen

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Du siehst eine Tastatur auf der eine Taste rot gefärbt ist und auf der „Control“ steht. Eine bildliche Metapher für die Regulierung von digitalen Plattformen im Internet und Data Governance. You see a keyboard on which one key is coloured red and says "Control". A figurative metaphor for the regulation of digital platforms on the internet and data governance.

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