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Weblog-Öffentlichkeiten als vernetzte Gespräche. Zur theoretischen Verortung von Kommunikation im Web 2.0

Author: Katzenbach, C.
Published in: Wolling, J., Seifert, M., & Emmer, M. (Eds.), Politik 2.0? Die Wirkung computervermittelter Kommunikation auf den politischen Prozess (pp. 189-210). Baden-Baden: Nomos.
Year: 2010
Type: Book contributions and chapters

Betrachtet man Weblogs mit der kommunikationswissenschaftlichen Standard-Brille, die sich vor allem für öffentliche Kommunikation mit (gesamt-)gesellschaftlicher Relevanz interessiert, erfasst man nur einen sehr kleinen Ausschnitt des Phänomens "Weblogs und Web 2.0". Das Anliegen des vorliegenden Beitrags war es, den Blick auf eine Ebene tiefer zu richten. Dadurch konnte gezeigt werden, dass sich Weblog- Kommunikationen vor allem als eine Verschiebung von einfachen Öffentlichkeiten in einen medialen, vernetzten Raum beschreiben lassen. Was sonst in Gesprächen mit Freunden und Kollegen in Cafés und Büros passiert, geschieht nun auch online: Alltägliches wird verhandelt, gesellschaftliche Fragen in das persönliche Umfeld der Nutzer eingeordnet. Der "Nachrichtenwert" orientiert sich hier nicht an Konstruktionen gesellschaftlicher Relevanz, sondern schlicht an persönlicher Bedeutsamkeit. Diese Mediatisierung einfacher Öffentlichkeiten hat mindestens zwei Folgen: Die Deutungen von Wirklichkeit, die uns in den Medien begegnen, sind erstens nicht mehr allein durch die Mechanismen und Routinen der journalistischen Profession geprägt. Die Konstitutionsbedingungen der Medienrealität, an der als "generalized other" (Mead, 1934) wir unsere Vorstellung gesellschaftlicher Wirklichkeit ausrichten, ändern sich durch die zunehmende Durchsetzung des Netzes als Primärmedium fundamental. Mögliche Interpretationen eines gesellschaftlichen Themas erfahren Internet-Nutzer nicht nur durch Journalisten und ihr direktes persönliches Umfeld, sondern auch durch andere Blogger und Internet-Nutzer. Die zweite Auswirkung der Mediatisierung - verstanden als Bannung des flüchtigen Gesprächs in eine permanente Form mit Verknüpfungen - liegt in den deutlich erweiterten Möglichkeiten zur Anschlusskommunikation. Während die "einfachen" Offline- Öffentlichkeiten als isolierte Episoden nebeneinander stehen, können Weblogs und andere Web 2.0-Formate dazu beitragen, Gespräche zu größeren Kommunikationszusammenhängen zu knüpfen. Es lassen sich dabei Strukturen der Vermittlung ausmachen, welche die verstreuten Artikulationen auffangen und synthetisieren. Ob dies allerdings systematisch zu einer höheren Durchlässigkeit zwischen den Öffentlichkeits-Ebenen führt und damit auch zu kontinuierlichen Auswirkungen von Weblogs auf die Agenden der traditionellen Massenmedien, müssen empirische Untersuchungen erst noch zeigen. Die wachsende Popularität von Social-Network-Plattformen, wie StudiVZ oder Facebook, und "Mikro-Blogging"-Diensten, wie Twitter, wirft zudem die Frage auf, ob sich die Rolle von Weblogs als Medienformat zukünftig (oder schon aktuell) doch stärker in Richtung publizistischer Medien mit breiterem Relevanzanspruch entwickelt, da sich die persönliche Kommunikation auf diese Plattformen verlagert. Weblogs könnten sich so noch stärker als Bindeglied zwischen Alltagsgesprächen und massenmedialen Diskursen erweisen - oder an Bedeutung verlieren. Die mediatisierten und vernetzten Gespräche des vormaligen Publikums sind jedenfalls aus der medialen Öffentlichkeit nicht mehr herauszudenken.

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Christian Katzenbach, Prof. Dr.

Forschungsprojektleiter und assoziierter Forscher: Die Entwicklung der digitalen Gesellschaft

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