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04 September 2015

Plattformträger für «Mobiles Museum in Berlin» gesucht!

oder

EIN MULTI STAKEHOLDER-DIALOG: DIGITALISIERUNG DER BERLINER KULTURLANDSCHAFT

Warum das Startup MAUERSCHAU seine Plattform der Allgemeinheit zur Verfügung stellen möchte

Nichts ist schmerzhafter für ein Startup-Gründerteam, als seine Liebesmühe als vollends vergeblich anzusehen. Das gilt auch für uns, das Gründungsteam der MAUERSCHAU. Nicht weil wir einsehen mussten, mit unserer Idee nicht reich zu werden – das war niemals unsere Erwartung. Sondern weil unsere Vision, das größte mobile Museum Berlins zu bauen, nicht realisiert zu werden drohte. In einer Stadt, die wie keine andere dem rasanten Wandel unterworfen ist, wollen wir die Zeugnisse und Erinnerungen aller, die hier lebten und wirkten, der Allgemeinheit an Ort und Stelle zur Verfügung stellen.

In einem ersten Schritt stellten wir dafür eine mobile App mit Zeitzeugenführungen zum Bau und Fall der Berliner Mauer her. Berliner wie Berlintouristen können über die MAUERSCHAU-App Erlebnisse von damals über Augmented Reality an den Orten des welthistorischen Geschehens nacherleben. Selbstverständlich, bei dem thematischen Fokus auf den Bau und Fall der Mauer sollte es nicht bleiben. Vielmehr wollten wir mit den Einnahmen aus den Zeitzeugen-Führungen immer mehr Inhalte zur Verfügung stellen und so eine Plattform zum generationenübergreifenden und interkulturellen Austausch schaffen. Der Launch unserer App zum 25-jährigen Mauerfall-Jubiläum war durchaus ein Erfolg, zumindest was unsere Gratis-Touren anging. Doch die Einnahmen aus den zusätzlichen, gegen ein Entgelt angebotenen Touren waren und sind leider so gering, dass wir nicht einmal die Betriebskosten decken können. Unser Fazit ist: Mobile Apps zu diesem Nischenthema – und Kultur im App-Store ist und bleibt nun einmal ein Nischenthema – lässt sich privatwirtschaftlich kaum finanzieren. Dabei ist die Idee so gut! Der ehemalige DDR-Hauptmann Heinz Schäfer erzählt am Checkpoint Charlie, wie er sich todesmutig dem US-Panzer entgegen stellte; der ehemalige Pfarrer der gesprengten Versöhnungskirche Manfred Fischer führt die Nutzer sprachgewaltig über das Gedenkstättengelände Berliner Mauer; und fünf weitere ergreifende Geschichten mehr… sollten diese nun der stetigen Weiterentwicklung der mobilen Betriebssysteme zum Opfer fallen? Am liebsten hätten wir die App der Stadt Berlin geschenkt. Wenn wir schon keine weiteren Geschichten herstellen konnten, sollten die bereits hergestellten doch wenigstens erhalten bleiben.

Da kam auch schon der Wink des Schicksals! Denn kaum hatten wir diese Idee besprochen, rief die Stadt Berlin im Frühjahr einen „Call for Ideas“ aus: Ein Multi Stakeholder-Dialog, in dessen Rahmen alle kulturbegeisterten Berliner eigene Ideen zur „Digitalisierung der Berliner Kulturlandschaft“ beisteuern können. Die hohe Beteiligung hat selbst die veranstaltende Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten überrascht. Über 100 Einreichungen von Museen über privatwirtschaftliche Unternehmen bis hin zu Kulturinitiativen wurden eingereicht. Noch überraschender war, auf welche Weise die Senatskanzlei diesen Ideenreichtum strukturierte. Sie lud im Juni die Einreicher zu einem gemeinsamen Treffen ein, um Synergien zwischen den Projektideen freizulegen und Kriterien für die offizielle Ausschreibung zu erarbeiten. Dabei fand sie ein zunächst zwar chaotisch erscheinendes, aber im Nachhinein umso verblüffenderes Verfahren. Denn bei Sichtung der Ideen stellten die Organisatoren fest, dass die Projektideen unter den unterschiedlichsten Kategorien verortet werden konnten. Anstatt den Einreichern nun ein bestimmtes Ordnungssystem vorzugeben und damit mögliche Synergieeffekte im Keim zu ersticken, überließ die Senatskanzlei den Ordnungsprozess den Einreichern selbst. Sie schlug nacheinander verschiedene Kategorien vor, so dass sich die Einreicher in den verschiedensten Konstellationen kennen lernen konnten. Wenn auch manche – ich selbst eingeschlossen – mit der Masse an Kontakten anfangs überfordert war, so ermöglichte dieser Prozess doch erst, dass das kreative Potential vollständig zur Entfaltung kommen konnte. Denn die entscheidenden Kategorien stellten sich so erst im Prozessverlauf heraus. Dass sich die Stadt auf so einen kreativen Ansatz einlässt, kann meines Erachtens gar nicht mit genug Respekt bedacht werden.

Tatsächlich war das Verfahren erstaunlich erfolgreich. In unserem Fall der MAUERSCHAU stellte sich die Kategorie „Geo-lokalisierte Inhalte“ als diejenige heraus, die am meisten Synergien mit den anderen Ideengebern offenbarte. Natürlich, man hätte es sich denken könne. Aber sicher sagen konnte man es vorher eben nicht. Es hätte auch „Augmented Reality“ oder „mobile Apps“ sein können. Nachdem sich also die entscheidenden Kategorien herausgestellt bzw. die Gruppen gebildet hatten, diskutierten diese die Kriterien für die offizielle Ausschreibung. In unserer Gruppe stellte sich unter anderem heraus, dass Plattformen für jeden offen stehen sollten. Auch müsste es möglich bleiben, weiterhin Förderung von Dritten zu erhalten. Das sollte insbesondere für Projekte gelten, die über den wechselseitigen Zugang zu Kulturinhalten, den internationalen Austausch fördern. Aufgrund unserer Erfahrung mit der MAUERSCHAU wurde ich zudem nicht müde, die Nachhaltigkeit als ein weiteres Kriterium zu betonen. Denn wenn die Projektidee nicht ansatzweise ihre Weiterfinanzierung sicherstellen kann, wird sie nach wenigen Jahren wieder von der „digitalen Kulturlandschaft“ verschwinden.

Wie auch immer die Kriterien letztlich ausgestaltet werden, für uns stellt sich die Ausschreibung als eine Win-Win-Win-Gelegenheit dar: Für unser Team ist es das wichtigste, dass unsere Anstrengungen nicht vergebens waren und die Zeitzeugengeschichten nicht verschwinden. Deshalb suchen wir nun nach einem Träger, der unsere MAUERSCHAU betreiben und – gegebenenfalls mit einer Förderung der Stadt Berlin – für jeden Kulturanbieter und Kulturnutzer zugänglich machen möchte und kann. Der Träger dieser Plattform erspart sich so die hohen Erstentwicklungskosten. Und die Berliner Kulturanbieter können ihre Inhalte – entsprechend dem Leistungsprinzip – zu geringen bis gar keinen Kosten der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.

Wer sich also vorstellen kann, als Träger einer solchen Plattform aufzutreten, möchte sich sehr gerne bei uns melden!

Foto: Matthias Günther, Berliner Zeitung

Dieser Beitrag ist Teil der regelmäßig erscheinenden Blogartikel der Doktoranden des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Er spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wieder. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.

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