Unsere vernetzte Welt verstehen
Open Science – Wie ich Partizipationsprämissen ergründen möchte und Ihr mit dabei helfen könnt
Scientopia – die schöne neue Welt der offenen Wissenschaft
Willkommen in Scientopia, das Schlaraffenland aller Wissenschaffenden. Hier ist Wissen für jeden jederzeit verfügbar. Ohne Barrieren, ohne Beschränkung. Und diejenigen, die das Wissen herstellen, zeigen, wie sie das machen. Sie teilen ihre Ideen frühzeitig, sie hören zu, sie reagieren auf Fragen und Anregungen. Die Gedanken sind frei! Wissenschaft ist voll und ganz gläsern. Vom Honigtopf der Wissenschaft darf jeder naschen. So viel er mag. Das klingt fantastisch. Heureka, so soll es sein. Das ist Open Science! Das ist aber leider eine Utopie. Offene Wissenschaft ist ein Zustand, der für viele (vor allem Wissenschaftler selbst) wünschenswert, aber in Gänze nicht realisierbar ist.
Open Science ist eine Bewegung, kein Konzept
Vorab sei gesagt, dass Open Science nicht etwa ein stringentes Konzept ist; es gibt keine Checkliste dafür was für Open Science erfüllt werden muss. Vielmehr ist es eine Bewegung (oder hier) unter deren Flagge so einige Schlachten geschlagen werden. Open Data, Open Notebook Science, Open Access oder Citizen Science sind nur vier prominente Schlagwörter, die unter Open Science fallen; die alle auf ihre Art eine Öffnung der Wissenschaft verlangen. Wer genau, was für wen öffnet ist bei allen vier aber unterschiedlich. Ich habe das mal versucht in eine Tabelle zu packen:
Wenn ich also Open Science als Utopie bezeichne, dann meine ich nicht nur, dass es gewaltiger Anstrengung bedarf, allein die vier genannten ‘Teilbewegungen’ zu praktizieren. Ich bezeichne offene Wissenschaft vor allem deshalb als Utopie, da sie gewissermaßen von einer gleichartigen Disposition aller ‘Wissen-schaffenden’ und der Nicht-Existenz von systemischen oder technologischen Hindernissen ausgeht. An dieser Stelle sollte ich vielleicht definieren, was ich unter Open Science verstehe …
Was ich unter Open Science verstehe
Unter Open Science verstehe ich ein offenes Produktionsmodell für Wissen, dass gekennzeichnet ist durch die vom Forschenden beabsichtige Öffnung des Forschungsprozesses in allen Schritten der Forschung.
Das Herstellen von Wissen muss sich also an Produktionsweisen messen lassen, die ähnlich auch für Phänomene wie Open Source Software zutreffen. Dabei steht Offenheit in der Wissenschaft für transparente Forschung, Ermöglichung situativer Teilhabe verschiedener Akteure, unterschiedliche Grade der Partizipation und das barrierefreie Teilen von Daten, Ideen usw.. Das ‘Open’ bei Open Science ist für mich ein Habitus. Offenheit ist eine Einstellung des Wissenschaftlers; Wissenschaft verstehe ich als einen Prozess; als die Produktion von Wissen. Zumindest in akademischer Forschung bietet es sich an, das Produkt als Commons (Gemeingut) zu verstehen.
Weshalb Open Science eine Utopie ist
Open Science für mich deshalb eine Utopie, da sie gewissermaßen die unbedingte Bereitschaft zur Kooperation, zum Teilen und der Transparenz auf Seiten des Forschenden voraussetzt. Der Forschende ist die lebende Antithese zum eigeninteressierten Homo Oeconomicus; das Forschen ein einziges beseeltes Allmendenwerkeln. Dabei haben Forschende unterschiedliche Einstellungen zu Offenheit. Sie sind disziplinär und technologisch unterschiedlich determiniert. Zudem geht dieses Modell von der Nicht-Existenz systemischer Hindernisse aus. Wie offen kann man aber tatsächlich mit Daten umgehen? Oder inwiefern blockiert das Journal System den Zugang zu Wissen?
Dennoch finde ich den Gedanken, Open Science als ein Ideal zu verstehen richtig – schließlich erlaubt er einen Vergleich des Bestehenden und des Gewünschten. Die Vorstellung erlaubt es zu ergründen, weshalb diese Utopie nicht eintreten kann; woran es hapert. Sie ermöglicht sozusagen eine Ist-Soll-Analyse und gibt einer vagen Begrifflichkeit eine empirische Gestalt. Man kann dadurch Offenheit operationalisieren und abfragen. Hier setzt mein Forschungsvorhaben an.
Wie ich Open Science ergründen möchte
Ich erachte Offenheit in der Wissenschaft in erster Linie als eine menschliches Problemstellung. Open Science ist für mich ein Zustand, der unmittelbar mit dem (forschenden) Individuum, dessen Einstellungen, Sinnstiften und Rahmenbedingungen zusammenhängt; sprich damit wie er oder sie sich in einer bestehenden Ordnung mit den bestehenden Mitteln verhält. Wenn ich in meiner Dissertation also Prämissen der Partizipation bei Open Science ergründe, so ist der Forscher meine primäre empirische Quelle.
Man könnte nun zurecht einwenden, dass Offenheit seit jeher Primat der Wissenschaft ist – zumindest, wenn es deren Ziel ist, Wissen zu veröffentlichen (lat. publicus = öffentlich). Ich verstehe daher Wissenschaft als eine kulturelle Praxis; d.h. Offenheit ermisst sich an dem Gegebenen; sie ist kulturell bedingt. Daher ist Open Science zum Beispiel eng verknüpft mit dem bestehenden Wissenschafts- und Journalsystem oder den technologischen Möglichkeiten und deren Adaption. Gerade deshalb ist Open Science heute so spannend, da sich durch das Internet gewaltige Änderungen der Wissenschaftspraxis ergeben (Stichworte: Big Data, Data repositories oder Science 2.0).
Das Ideal von Offenheit in der Wissenschaft möchte ich konzeptionalisieren und in zwei empirischen Schritten abfragen.
Practice what you preach – Wie Ihr mir dabei helfen könnt
Direkt zum offenen Entwurf/Konzept: Google Doc
Derzeit arbeite ich an einem Untersuchungsdesign, mit dem ich Partizipationshindernisse bei Open Science erforschen möchte. Meine ersten Gedanken hierzu habe ich (etwas weniger narrativ als in diesem Blog) in diesem Google Doc aufgeschrieben. Egal ob Kritik zum Aufbau, Anregungen für Theorien oder Fragen – ich freue mich über jede Form von Feedback. Ihr seid also herzlich dazu eingeladen, sofern Lust und ein paar Minuten Zeit, die Kommentarfunktion im Dokument zu benutzen. Bei größeren Fragen, die vielleicht nicht in die Kommentarspalte passen, könnt ihr mir auch gerne eine Email (fecher@hiig.de) schicken. Danke vorab!
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de
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