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studie
20 Juni 2014

Online Mitmachen und Entscheiden – die Partizipationsstudie 2014

Das Internet ist wie kaum ein anderes Medium mit dem Versprechen einer allseitigen Demokratisierung angetreten (Dorer, 2008). Seit jeher ist die Diskussion um ein Mehr an gesellschaftlicher Beteiligung eng mit der Frage nach dem demokratischen Potential des Netzes verbunden. Online-Partizipation ist so im Kern Gegenstand des politischen Internets. Doch aktuelle akademische Diskurse zu Online-Partizipation gehen über die klassische politikwissenschaftliche Partizipationsforschung hinaus: die Forderung nach mehr Teilhabe gilt längst auch in wirtschaftlichen Zusammenhängen, wo die Potenziale onlinegestützter Beteiligungsformate erkannt worden sind und verstärkt in der Praxis eingesetzt werden (Füller et al., 2011). Mit Ideenwettbewerben, Design-Plattformen und Crowdfunding entstehen zahlreiche neue Möglichkeitsräume zur Partizipation im Netz abseits des politischen Feldes.

In der jüngst veröffentlichten Partizipationsstudie 2014 des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft treffen diese beiden Perspektiven der Online-Partizipation aufeinander. Die repräsentative Studie, die in Kooperation mit TNS infratest durchgeführt wurde, gibt Auskunft über das Partizipationsverhalten deutscher Internetnutzer im politischen und wirtschaftlichen Bereich. In einem interdisziplinär arbeitenden Team wurde Online-Partizipation anhand einer Reihe von 13 festgelegten Angeboten aus beiden Bereichen erhoben. Das Spektrum reicht von Online-Petitionen über die Beratung von Bürgerhaushalte bis hin zu der Weiterentwicklung von Produkten, Crowdfunding und Gestaltung von Kampagnen.

Online-Partizipation: Politik vs. Wirtschaft

Trotz vergleichbarer Konzepte und Plattformen der Partizipationsangebote im politischen und wirtschaftlichen Bereich unterscheiden sie sich sowohl in den Absichten der Anbieter als auch in den jeweiligen Erfolgskriterien: Online-Partizipationsprojekte im politischen Feld treten häufig mit dem Anspruch an, politische Entscheidungsprozesse zu legitimieren und eine möglichst breite Beteiligung zu ermöglichen. Im wirtschaftlichen Feld hingegen geht es meist vor allem darum, die Personenkreise, die sich für bestimmte Partizipationsangebote interessieren sowie die Bedürfnisse von Kunden genauer zu verstehen.

Breite Beteiligung …

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie ist die breite Nutzung der Partizipationsangebote: rund 50 Prozent der Befragten haben schon einmal aktiv an einem politischen Vorhaben, z.B. auf einer Plattform oder an der Entwicklung oder Weiterentwicklung von Produkten mitgewirkt. 18- bis 36-Jährige beteiligen sich besonders aktiv, Männer mehr als Frauen. Zudem reiht sich die Partizipationsstudie in bisherige empirische Ergebnisse der Partizipationsforschung ein, denn auch die Daten bestätigen: der Anteil der Online-Partizipierenden wächst mit formaler Bildung. Studien aus der politischen Online-Partizipationsforschung zeigen, dass es ähnliche Personenkreise online wie offline sind, die sich an Partizipationsangeboten beteiligen. Alter, Bildungsgrad und politisches Interesse erklären nach wie vor am besten warum wir uns bei gesellschaftlichen Fragen engagieren – oder eben nicht.

… mit im Schnitt anderthalb Stunden

Hinsichtlich der zeitlichen Intensität, mit der sich die Befragten einer Partizipationsform widmen, zeigt sich ein erstaunlich hohes Engagement: im Schnitt investieren Partizipierende 1 Stunde und 30 Minuten. Dabei wurde ausschließlich die Partizipationsform abgefragt, an die sich die Befragten am besten erinnern können. Die Erhebung ergibt jeweils ein Extremum einer hohen Reichweite bei kurzer Beteiligungsdauer bei der Mitzeichnung von Online-Petitionen – und im anderen Extremum eine erstaunlich lange Bearbeitung bei gleichzeitig eher niedriger Reichweite im Falle der freien Ideenentwicklung für Produkte. Hier können mögliche Preisgewinne ausschlaggebend für die Ausdauer sein.

Online-Petitionen mitzeichnen besonders beliebt

Unsere Ergebnisse zeigen: Die Möglichkeit, zum Beispiel eine Online-Petition mit zu zeichnen, ist bereits zu einer sehr populären Form der politischen und gesellschaftlichen Beteiligung geworden. Großes Interesse besteht auch hinsichtlich des eigenständigen Verfassens von Online-Petitionen, die tatsächlichen Beteiligungszahlen sind hier jedoch aufgrund des hohen Aufwands gering.

Insgesamt sind wirtschaftliche Partizipationsangebote weniger bekannt als politische Formen der Online-Partizipation. Insbesondere Crowdfunding und Online-Produktkonfigurationen, die eindeutig Kosten und einen hohen Aufwand mit sich bringen, erreichen jedoch eine beachtenswerte Reichweite in der Online-Bevölkerung.

Motivationen und Anreize hinter der Beteiligung

Welche Motivationsfaktoren stehen hinter der Beteiligung im Netz? Auf Basis des Antwortverhaltens der Befragten lassen sich unterschiedliche Gruppen von Nutzern mit gleichen Anreizstrukturen identifizieren: von hoch Motivierten, die Interesse am Ergebnis und Spaß an der Sache selbst berichten über Nutzer, für die insbesondere Folgeanreize wie Lerneffekte und Preise gewinnen relevant sind. Zudem bilden sich auch eher gering motivierte Nutzergruppen ab, die sich weniger wegen dem Partizipationsgegenstand selbst sondern v.a. aufgrund der Möglichkeit, einen Preis zu gewinnen, beteiligen.

Steigende Konkurrenz im Feld der Online-Partizipation

Es bleibt von einer Ausweitung und Etablierung der Online-Partizipationsangeboten auszugehen, nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Erwartungen von Bürgern an die Transparenz politischen Handelns sowie die lauter werdende Forderung nach mehr Teilhabe an öffentlichen Entscheidungsprozessen. Mit der wachsenden Zahl an Online-Partizipationsangeboten existiert eine steigende Konkurrenz, insbesondere im politischen Bereich. Beiträge der aktiven Nutzergruppen verteilen sich auf eine punktuelle Beteiligung. Das gängige Erfolgskriterium einer möglichst breiten Beteiligung wird so immer schwerer zu erreichen sein.

Zur Studie.


Am 25.06.14 widmet sich der Digitale Salon in einer Spezial Sendung dem Thema Partizipation. Melden Sie sich hier an und partizipieren Sie im Vorfeld auf Publixphere.

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Julia Ebert

Ehem. Studentische Mitarbeiterin: Internetbasierte Innovation

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