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22 Mai 2014

Neue Schrankenregelungen im Urheberrecht– auf welcher Ebene tut sich was?

Dozenten stehen oft vor dem Problem, dass sie mit den in ihren Präsentationen eingebetteten und bearbeiteten Bildern eigentlich das Urheberrecht Anderer verletzen. Bibliothekare versuchen verzweifelt, ihre Bestände langfristig zu archivieren, ohne mit dem geltenden Urheberrecht in Konflikt zu geraten.

Wenn es um Bildung, Forschung und Wissenschaft geht, sind die Regelungen, die das absolute Recht des Urhebers einschränken im Gesetz unübersichtlich verstreut, teilweise nur schwer verständlich, und allenfalls mäßig an modere Technologien angepasst. Deshalb wird von vielen Stimmen in Wissenschaft und Praxis eine Reform für dringend notwendig gehalten. Prof. Katharina de la Durantaye erstellte jüngst im Auftrag des BMBF eine Studie zur Schaffung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke, die kürzlich in Berlin vorgestellt und diskutiert wurde.

Ideen, wie das Urheberrecht durch Erweiterungen oder Anpassungen der Schranken einen angemesseneren Ausgleich zwischen Interessen der Urheber und der Allgemeinheit schaffen kann, gibt es noch viele weitere und in verschiedenen Bereichen (vgl. z.B. auch die Initiative Recht auf Remix). Die Forderunge nach Reformen von Urheberrechtsschranken ist damit hoch aktuell und ein wichtiger Ansatzpunkt, um das Urheberrecht mit veränderten Technologien und modernen Arbeitsweisen in Einklang zu bringen. Ein Knackpunkt bei der Anpassung und Schaffung neuer Schranken ist dabei stets der europarechtliche und internationale Rahmen. Europarechtliche Vorgaben und solche aus internationalen Verträgen verpflichten den deutschen Gesetzgeber tätig zu werden und begrenzen seinen Spielraum beim Erlass neuer Schranken. Auf welchen Ebenen können also urheberrechtliche Regelungen ansetzen, welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden und wo gibt es derzeit konkrete Regelungsvorschläge?

Internationale Verträge im Urheberrecht

Völkerrechtlichen Verträgen auf dem Gebiet Urheberrechts kommt traditionell die Funktion zu gewisse Mindeststandards für den Schutz in- und ausländischer Werke zu formulieren. Auch Bedingungen für die das Urheberrecht begrenzenden Schranken werden dort festgeschrieben, wobei die Einführung der Schranken oft fakultativ ist. Ein strengerer Schutz des Urheberrechts ist also meist erlaubt, ein geringerer dagegen nicht. Für die genaue Ausformung nationaler Schranken besteht ein mehr oder weniger weiter Spielraum. Diese internationalen Verträge wie die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ), das TRIPS Abkommen oder der WIPO Copyright Treaty geben dabei einen Rahmen vor, mit dem unterschiedliche Urheberrechtssysteme, wie einerseits das kontinentaleuropäische droit d’auteur, das auf einzelne Schrankenregelungen setzt, und andererseits das amerikanische copyright System, das mit fair use vor allem eine Generalklausel zur Begrenzung des Urheberrechts vorsieht, vereinbar sind.

Lange Zeit waren internationale Verträge kein Forum für spezielle urheberrechtliche Schrankenregelungen. 2013 wurde allerdings im Rahmen der WIPO der Marrakesch-Vertrag verabschiedet (die EU unterzeichnete kürzlich, Deutschland will dies ebenfalls tun) und die Vertragsparteien dadurch zu einer besonderen Ausnahmeregelung für Blinde verpflichtet. Ein Durchbruch, der auf viel, aber nicht nur positive Resonanz stieß. Auf der oben angesprochenen Tagung zur allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke kritisierte es Silke von Lewinski, auf dieser internationalen Ebene sehr spezifische Schranken zu schaffen, vor allem da dies mit hohen Transaktionskosten für die langwierigen politischen Verhandlungen verbunden sei. Außerdem könne es sinnvoller sein gewisse Freiräume zu lassen, die dann von den einzelnen Staaten im Rahmen ihrer Urheberrechtstradition ausgefüllt werden können. Von vielen Akteuren wurde das Zustandekommen des Vertrags letztes Jahr jedoch auch gelobt, da trotz entgegenstehender Lobbyinteressen ein besserer Zugang zu Büchern für blinde Menschen ermöglicht wird. Ist das internationale Recht also doch eine vielversprechende Methode, urheberrechtliche Reformen auf den Weg zu bringen? Auch im Bereich Forschung/Bildung und Bewahrung des kulturellen Erbes durch Archive und Museen streben Gruppen wie die IFLA eine urheberrechtliche Verbesserung im Standing Committee on Copyright & Related Rights (SCCR) der WIPO an – bisher allerdings scheinen die Parteien von einer Einigung noch weit entfernt zu sein. Das nächste Treffen des SCCR findet Ende Juni statt, klar ist dabei bislang nur, dass auf dieser Ebene wieder eine lange politische Auseinandersetzung erwartet werden kann.

Europarechtliche Vorgaben

Auf europäischer Ebene sorgt vor allem die letzte Konsultation der Kommission zur Überprüfung der Regeln zum EU-Urheberrecht für ein wenig Bewegung. Eingaben haben zwar eine Vielzahl von Vertretern auch aus der Zivilgesellschaft eingereicht, doch ob diese Beachtung finden oder ob der Prozess ähnlich ernüchternd wie bei der Befragung zu Softwarepatenten verläuft, lässt sich noch nicht absehen. In Bezug auf Schrankenregelungen ist im Europarecht die InfoSoc Richtlinie maßgeblich, da diese hierfür einen Schrankenkatalog beinhaltet, der auch als abschließend betrachtet wurde. Es besteht aber auf europäischer Ebene, wie sich an der kürzlich verabschiedeten Richtlinie zu verwaisten Werken zeigt, auch ein anderer Weg, um Änderungen zu erreichen: Eine neue Richtlinie, die einen ganz speziellen Fall regelt und deren Schranke als lex posterior neben die Schranken der InfoSoc Richtlinie tritt.[1] Damit wird natürlich das Urheberrecht nicht revolutioniert und zu regelnde Sonderfälle brauchen die Unterstützung einer starken Lobby. Die Richtlinie zu verwaisten Werken und die daraus hervorgehende Schranke sind insgesamt ein positives Beispiel für einen im Allgemeininteresse verbesserten Zugang zu kulturellem Erbe. Trotzdem ist der Anwendungsbereich sehr begrenzt, sodass sich auch hier einige Unzulänglichkeiten und weiterhin ungelöste Probleme stellen.

Spielräume auf nationaler Ebene

Was ist nun zu beachten, wenn neue nationale Schrankenregelungen geplant werden? Vor allem dem sog. Drei-Stufen-Test der sowohl in internationalen Verträgen (u.a. Art. 9 (2) RBÜ, Art. 13 TRIPS) als auch im Europarecht (Art. 5 (5) InfoSoc Richtlinie) verankert ist, kommt für die Festlegung des Rahmens eine bedeutende Rolle zu. Wie der Name verrät geht es um drei Kriterien: Schranken müssen auf bestimmte Sonderfälle begrenzt sein, dürfen die normale Verwertung von Werken nicht beeinträchtigen und die berechtigten Interessen des Urhebers nicht unzumutbar verletzen. Der BGH (Rn. 46 ff.) wendet den Drei-Stufen-Test zwar auch als „entscheidenden Maßstab für die Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes im Einzelfall“ an, sieht darin aber vornehmlich eine Anweisung an den Gesetzgeber, nationale Schranken in mit den Kriterien konformer Weise auszugestalten. Soll eine neue nationale Schranke also nicht vor dem EuGH landen, muss der Gesetzgeber diese Vorgaben beachten. Wie weit genau die Spielräume sind, kommt z.B. auf die Auslegung der Kriterien des Drei-Stufen-Tests an, die noch nicht abschließend geklärt ist. Wenn eine neue Schranke geschaffen soll, die mit europarechtlichen oder internationalen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen ist, müsste eigentlich zunächst dort ein Reformprozess stattfinden.  Das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen wird daher auch in Zukunft die Entwicklung des Urheberrechts entscheidend prägen.

Quellen


1. Vgl. Die gesetzliche Regelung über verwaiste und vergriffene Werke – Hilfe für verborgene Kulturschätze, Peifer, NJW 2014, 6, 7.

Dieser Beitrag ist Teil der regelmäßig erscheinenden Blogposts der Doktoranden des Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Er spiegelt weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wieder. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de.

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Henrike Maier, Dr.

Assoziierte Forscherin: Innovation & Entrepreneurship

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