Unsere vernetzte Welt verstehen
KI für’s Gemeinwohl – Quo vadis?
Im Jahr 2020 gründeten wir die Public Interest AI Forschungsgruppe des HIIG zu gemeinwohlorientierter KI. Seitdem ist rund um das Thema viel passiert, nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht, sondern auch politisch und gesellschaftlich. Dieser Blogpost gibt einen Einstieg ins Thema KI und Gemeinwohl, erläutert wichtige Erkenntnisse und gibt einen Ausblick, was wir vorhaben.
an der Schnittstelle zwischen Forschung, Industrie und Zivilgesellschaft. Es untersucht die gesellschaftlichen Herausforderungen, welche durch die Einführung von künstlicher Intelligenz in politischen, sozialen und kulturellen Prozessen entstehen.
Im Zuge der öffentlichen Zugänglichkeit von Chat GPT reden plötzlich alle über KI und der Hype scheint einen neuen Aufschwung zu nehmen. Spätestens jetzt ist allen bewusst, dass KI-Systeme weitreichende gesellschaftliche Veränderungen begleiten, wie den Wandel ganzer Industriezweige, die Automatisierung von einst sozialen Interaktionen oder die Verhärtung von Machtstrukturen. Wem dienen Chat-GPT und andere KI-Anwendungen – und wer sollte eigentlich von ihnen profitieren? Sollten das nicht letztlich wir alle und unsere gemeinsamen gesellschaftlichen Ziele sein?
Seit unserer Gründung stellen wir uns die Frage, wie KI-Systeme gemeinwohlorientierten Zielen dienen können und welche Bedingungen für die Technologie und ihre Governance diese Ziele mit sich bringen. Aber was ist eigentlich das Gemeinwohl? Auch dieser Frage gehen wir in unserer Forschung nach.
Zum Gemeinwohl
Zum Gedanken des Gemeinwohls gibt es eine reiche Debatte in der politischen Theorie und Rechtsphilosophie. Unsere Arbeit basiert auf einem Verständnis von Gemeinwohl, wie Barry Bozeman es vorschlägt: Gemeinwohl meint nach Bozeman “die Resultate, die auf lange Sicht am besten dem Überleben und Wohlergehen eines sozialen Kollektivs – verstanden als Öffentlichkeit – dienen” (Bozeman, 2007, S. 12).
Gemeinwohl ist, so verstanden, nicht universell definierbar, sondern muss immer partizipativ, deliberativ und von Fall zu Fall durch die Betroffenen einer Sache öffentlich verhandelt werden. Wir als Forschungsgruppe orientieren uns nun daran und leiten Faktoren aus dieser theoretischen Fundierung ab. Die Frage, die wir uns dabei stellen, ist: Wie kann dieses Verständnis den Prozess und die technische Umsetzung von KI-Entwicklung ändern?
Unsere Ansätze
Unsere Gedanken dazu teilen wir auf www.publicinterest.ai und stellen beispielsweise Kriterien vor, die wir für die Entwicklung von gemeinwohlorientierter KI als wichtig erachten. Diese Bedingungen, die wir für gemeinwohlorientierte KI fordern, versuchen wir auch in eigenen Prototypen umzusetzen. Zwei der DoktorandInnen des Forschungsteams arbeiten mit Natural Language Processing, einerseits, um deutsche Texte in Leichte Sprache zu übersetzen, und andererseits, um FaktencheckerInnen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Die dritte Doktorandin untersucht Möglichkeiten, wie Daten partizipativ verwaltet werden können, um die Gemeinwohlorientierung von Projekten zu stärken.
Zum Public Interest AI Interface
Über das publicinterest.ai Interface möchten wir zudem die Datenlage zu gemeinwohlorientierten KI-Projekten verbessern, indem wir Projekte zu einer Befragung einladen und die Ergebnisse hier global mappen. Zwei Projekte, die dort beispielsweise zu finden sind, sind das Projekt Seaclear, das mit von Robotern und Sensoren Müll vom Meeresgrund fischt und dabei Tiere verschont, die mithilfe von Computer Vision erkannt werden, und das Projekt VFRAME, das ebenfalls Computer Vision einsetzt, um Konfliktzonen zu analysieren. Wir möchten diese Projekte durch mehr Sichtbarkeit unterstützen und gleichzeitig die wissenschaftliche Erforschung solcher Projekte befähigen.
Gemeinwohl braucht viele Stimmen
Aber zum Glück sind wir längst nicht die einzigen, die sich für das Thema gemeinwohlorientierte KI interessieren. In diesem Jahr ist das Civic Coding Netzwerk mit einer Geschäftsstelle an den Start gegangen, die gemeinwohlorientierte KI Projekte unterstützen soll. Und wir freuen uns sehr über die Studie von Wikimedia, die unter anderem auf Basis unserer Überlegungen verschiedene datenbasierte Vorhaben des Bundes auf ihre Gemeinwohlorientierung prüft.
Die nächste Etappe soll sein, unsere Arbeit an gemeinwohlorientierter KI weiter auszubauen, d.h. weitere anwendungsorientierte Forschungsprojekte anzustoßen, Prototypen zu unterstützen und das Netzwerk für gemeinwohlorientierte KI zu erweitern. Zum Beispiel startet dafür im Oktober 2023 eine erste Public Interest AI Fellowship Runde, bei der wir Studierende verschiedener technischer Hochschulen mit NGOs mit gemeinwohlorientierten KI Projekten vernetzen. In den nächsten fünf Jahren möchten wir daran arbeiten, dass die Idee gemeinwohlorientierte KI eine echte und nachhaltige Alternative zu rein kommerziellen KI-Projekten ist.
Referenzen
Bozeman, B. (2007). Public values and public interest. Counterbalancing economic individualism. Georgetown University Press.
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de
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