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22 Oktober 2020| doi: 10.31235/osf.io/n6f3r

Hashtag Hijacking zu Zeiten der Corona Pandemie: Wie die Rechtspopulisten und die extreme Rechte Twitter polarisieren


Hashjacking in Aktion

„Stand back and stand by“ was so viel bedeutet wie „haltet euch zurück, aber seid bereit“ sagte Donald Trump während der ersten TV-Debatte am 29. September, als sein Herausforderer Joe Biden ihn fragte, ob er sich von der extremen Rechten distanziere würde. 

Die Aussage des Präsidenten richtete sich direkt an eine radikale, neo-faschistische und exklusiv männliche Bewegung die sich selbst „Proud Boys“ nennen und seit einigen Jahren stark an Zulauf erfahren. Obwohl die Bewegung von sozialen Medien wie Facebook verbannt wurde und ihre Gruppen und Nachrichten dort gelöscht wurden, etablierte sich auf die Aussage während der Präsidentschaftsdebatte das #ProudBoys auf Twitter. Während jedoch früher vor allem Propaganda der Alt-Right unter diesem Hashtag zu finden war, waren die Textnachrichten und Videos dieses Mal überraschend anders. Denn eine Initiative animierte homosexuelle Paare ihre Paarfotos auf Twitter unter diesem Hashtag zu teilen. Und so erklärten sich hunderte oder sogar tausende an homosexuellen Paaren, mit dem positiven Echo vieler weiterer Nutzer*innen, öffentlich ihre Liebe und versahen die Nachrichten mit dem #ProudBoys Hashtag. Diese Praxis, das Hashtag einer ideologisch anders orientierten Gruppe zu verwenden und sozusagen zu kapern, wird unter Social-Media-Forschenden Hashtag-Hijacking oder Hashjacking genannt.

Hashjacking als Misinformationsstrategie

Doch im Gegensatz zu dem eben beschriebenen Fall des #ProudBoys, das als Bekenntnis zu Liebe und Diversität gekapert wurde, sind es sonst politisch extreme Gruppen, insbesondere der politischen Rechten, die hashjacking als Strategie der Misinformation nutzen, um Botschaften von Ausgrenzung und Hass zu verbreiten und zivilgesellschaftliche Diskurse zu beeinflussen. In unserem Artikel aus dem Jahr 2019 „Hashjacking the Debate: Polarisation Strategies of Germany´s Political Far-Right on Twitter”, haben wir untersucht wie die Anhängerschaft der AfD (Alternative für Deutschland) diese Strategie nutzten und erfolgreich darin waren die Hashtags anderer Parteien zu polarisieren oder gar ganz zu kapern.

Doch die Gruppen haben es nicht nur auf die politischen Hashtags anderer Parteien abgesehen, sondern, wie unser neuestes Arbeitspapier „How the far-right polarise Twitter: Highjacking Hashtags in Times of Covid-19“ zeigt, versuchen auch Diskurse mit Pandemiebezug mit ihrem Content zu überfluten. Beispielsweise haben wir festgestellt, dass während der ersten Pandemiemonate die AfD-Unterstützenden auch versuchten breitere Debatten wie zum Beispiel zu #CoronaVirusDE zu beeinflussen oder zu kapern.

https://lh6.googleusercontent.com/GMJ_IqBrTkjk4v1ZxVWGFmdTyn0sGvv2g76PMwBB_stZCfzz8rCFiMpSuSKSwp8biAow3fc_-TLeCqT9azNjZKng2AlN5-HyAekzdt8Gwa-QSl1cjo2e_lY-ycDq744KMA45_2aa
Darstellung 1: Das polarisierte Netzwerk des #CornaVirusDE im Mai 2020, bestehend aus einzelnen Accounts auf Twitter repräsentiert durch Punkte (Nodes) und ihre Retweet-Verbindungen (Edges). Das orangene Cluster der “Gegenöffentlichkeit” enthält zum Großteil Mitglieder der Anhängerschaft der AfD (rot).

Ähnlich polarisierte Netzwerke konnten wir auch unter anderen Hashtags, wie zum Beispiel #FlattenTheCurve, feststellen. Wie in Darstellung 1 zu sehen ist, sind die zwei Lager klar voneinander getrennt, da nur wenige Mitglieder eines Clusters die des anderen retweeten. Die orange markierten Accounts, die Größe richtet sich nach der Anzahl der Retweets, haben Nachrichten veröffentlicht, die entweder die Existenz des Coronavirus ganz bestreiten oder scharfe Kritik an den Gegenmaßnahmen üben. Dieses Cluster, das zum Großteil aus der Anhängerschaft der AfD besteht ist rot dargestellt, wohingegen der breite zivilgesellschaftliche Diskurs in blau dargestellt ist, mit dem Twitteraccount @Taggesschau als größtem Node, da dieser am häufigsten während des Untersuchungszeitraums retweetet wurde.

Tatsächlich konnten wir feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit in dem orangenen Cluster aufzutauchen fünf mal höher für Anhänger der AfD ist, als für die Unterstützenden anderer Parteien. Außerdem wurde die Dynamik maßgeblich von einigen wenigen, sehr aktiven Accounts vorangetrieben, diese sind teilweise Mitglieder der AfD oder aus unserer vorherigen Studie bekannt als Unterstützende der AfD. 

Einfluss auf andere Nutzer*innen sozialer Medien

Wenn wir politische Debatten auf sozialen Medien verfolgen sollten sich die Nutzer*innen immer im klaren darüber sein, dass die widergespiegelte Meinung nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ist. Dies liegt auch an Strategien wie Hashjacking, die Des- und Misinformation in größere Diskurse und damit an mehr Menschen herantragen. Daher sollten Plattformen diese Entwicklungen im Blick behalten, oder Wissenschaftler*innen oder NGOs Datenzugang geben, um dies in einem geregelten Rahmen effektiv zu gewährleisten.


[1] Darius, P., and F. Stephany. “’Hashjacking’ the Debate: Polarisation Strategies of Germany’s Political Far-Right on Twitter.” In International Conference on Social Informatics, pp. 298-308. Springer, Cham, 2019.

[2] Darius, P., & Stephany, F. (2020). How the Far-Right Polarises Twitter: ‘Highjacking’ Hashtags in Times of COVID-19. DOI: 10.31235/osf.io/n6f3r 

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Fabian Stephany, Dr.

Assoziierter Forscher: Innovation, Entrepreneurship & Gesellschaft

Philipp Darius

Ehem. Studentischer Mitarbeiter: Dritter Engagementbericht

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