Am 6. und 7. Dezember 2019 veranstaltete das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) die Gründungstagung eines Arbeitskreises in der Sektion Soziologische Theorie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Gründungstagung eines Arbeitskreises in der Sektion Soziologische Theorie (DGS)
6. und 7. Dezember 2019
HIIG | Französische Straße 9 | 10117 Berlin
Die Adressierung und Perspektivierung von Sachverhalten, die dem Bereich der Digitalisierung zugeschrieben werden, geschieht auf vielfältige Weise. Neben den allgegenwärtigen digitalen „Informationen“, „Daten“ und „Algorithmen“, stehen ebenso das digitale Wissen, digitale Infrastrukturen, digitale Netzwerke, digitale Kommunikationen, die Materialität des Digitalen und natürlich das Phänomen der Digitalisierung als transformativer Prozess selbst im Fokus des deskriptiven Interesses. Zwar scheint es intuitiv einsichtig, dass diese verschiedenen Adressierungen im Grunde das gleiche Phänomen benennen sollen, nur ist diese Absicht bei Verwendung des gleichen terminus technicus eo ipso noch nicht erfüllt. Die theoretische Multiparadigmatizität der Soziologie ist zwar einerseits ein Gewinn, insofern sie garantiert soziale Phänomene facettenreich in den Blick zu nehmen etwa, wenn es um die Frage geht, wer oder was ein Akteur ist bzw. agency besitzt, ob die Bezüge zwischen den Akteuren interaktiv, netzwerkartig oder durch strukturelle Kopplungen vollzogen werden und der Fragen mehr. Andererseits kann der Theorienpluralismus gerade, wenn es darum geht, das gleiche Phänomen zu beschreiben, zu einer Unschärfe führen. Diese Unschärfe fordert die Soziologische Theorie auf mehreren Ebenen heraus, die Gegenstand der Tagung sein sollen:
- Inwiefern kann das Phänomen der Digitalisierung überhaupt als ein Gegenstand der Soziologischen Theorie, d.h. im Rahmen von Sozialtheorien und/oder Gesellschaftstheorien, entfaltet werden?
- Wird mit den vielfältigen in der Debatte verwendeten Termini das gleiche Phänomen adressiert? Wie viel muss schon von der Digitalisierung beschrieben, wie weit muss sie beschränkt, eingegrenzt oder einfach deutlich im Sinne von conceptual frameworks konturiert werden, damit alle Paradigmen miteinander über das gleiche Phänomen sprechen können?
- Wie lässt sich Digitalisierung soziologisieren, ohne bereits normativ entschieden zu haben, ob digitale Prozesse eine „gute“ oder „schlechte“ Gesellschaftsentwicklung evozieren?
- Auf welche Weise erfassen bestehende theoretischen Ansätze das, was als ein digitales Phänomen angesprochen wird, und thematisieren es als einen Gegenstand von Ordnung und Wandel? Inwiefern verändern die je spezifische Imaginationen von Akteuren, Zeit/Raum, Körper und Praxis sowie Materialitäten die Perspektive auf Phänomene, die als digitale identifiziert worden sind, und spricht man überhaupt noch von dem gleichen Phänomen, wenn die jeweilige zentral gestellte Aspektivität grundverschieden ist?
- Welche „blinden Flecke“ bringen bestehende Ansätze des methodologischen Individualismus, Holismus und Relationalismus jeweils mit sich, wenn sie der transformativen Spur digitaler Prozesse folgen?
Mit der Tagung streben wir einen sachlichen Diskurs über das Phänomen der Digitalisierung als konzeptuelle Herausforderung für die Soziologische Theorie an, der perspektivisch in dem Arbeitskreis der Sektion Soziologische Theorie fortgeführt werden soll.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Katharina Block (katharina.block@uni-oldenburg.de) und Jörg Pohle (joerg.pohle@hiig.de).
Mitschnitte
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Programm
Freitag, 06.12.2019
09:30 Uhr | Registrierung & Kaffee |
10:00 Uhr | Begrüßung
Katharina Block & Jörg Pohle |
10:15 Uhr | Keynote: Armin Nassehi
Für welches Problem ist die Digitalisierung eine Lösung? Motive einer Theorie der digitalen Gesellschaft |
11:00 Uhr | Kaffeepause |
11:15 Uhr | Sascha Dickel
Flucht aus dem kybernetischen Gefängnis? Zum Unbehagen an der Systemtheorie
|
12:00 Uhr | Martina Franzen
Digitalisierung als Herausforderung für die systemtheoretische Differenzierungstheorie |
12:45 Uhr | Mittagessen |
14:00 Uhr | Tanja Carstensen
Kontinuitäten statt Transformation? Alte und neue Fragen der Theoretisierung menschlicher Handlungsfähigkeit in der digitalisierten Gesellschaft |
14:45 Uhr | Andrea Maurer
Plattformökonomie: eine theoretische Problemkontur |
15:30 Uhr | Kaffeepause |
16:00 Uhr | Gerd Sebald
Zeitlichkeit und Digitalität
|
16:45 Uhr | Gesa Lindemann
Die Zeit der Normativität der Technik |
17:30 Uhr | Kaffeepause |
17:45 Uhr | Gründungsakt des Arbeitskreises |
18:30 Uhr | Empfang und Get-together |
Samstag, 07.12.2019
09:30 Uhr | Registrierung & Kaffee |
10:00 Uhr | Robert Seyfert
Algorithmische Sozialität. Zu einer relationalen Soziologie des Digitalen |
10:45 Uhr | Cordula Kropp
Was zählt? Automatisierung als legitime Komplexitätsreduktion |
11:30 Uhr | Kaffeepause |
12:00 Uhr | Henning Mayer & Jasmin Siri
Die digitale Übersetzung der Gesellschaft |
12:45 Uhr | Mittagessen |
14:00 Uhr | Anna Henkel
Mensch und Welt im Zeichen der Digitalisierung. Zu den gesellschaftlichen und anthropologischen Voraussetzungen und Konsequenzen von Digitalisierung |
14:45 Uhr | Hilmar Schäfer
Digitale Praktiken |
15:30 Uhr | Abschluss und Ende |
Anmeldung
Bitte melden Sie sich bis zum 15. November 2019 über das Registrierungsformular an. Vielen Dank.