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28 März 2019| doi: 10.5281/zenodo.3085873

Digitalisierung im Mittelstand: fünf erfolgreiche Fallbeispiele

Die Digitalisierung eröffnet insbesondere für den deutschen Mittelstand neue Chancen und Wachstumspotenziale. Doch welche genauen Aktivitäten und Strategien werden in puncto digitale Innovationen von Mittelständlern verfolgt? Welche unterschiedlichen Herangehensweisen gibt es und wie sehen konkrete Erfolgsbeispiele aus? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, analysierten wir im vergangenen Jahr verschiedene Unternehmen und ihre Digitalisierungsaktivitäten. Die Studie wurde vom HIIG und Sirius Minds durchgeführt und durch die HypoVereinsbank unterstützt.

 

Kaum etwas verändert die Unternehmenslandschaft derzeit stärker als der digitale Wandel. Der Mittelstand wird oftmals dafür kritisiert, dass er die Digitalisierung verschlafen würde. Es liegt jedoch keineswegs auf der Hand, dass Großunternehmen die Digitalisierung erfolgreicher bewältigen als mittelständische Unternehmen, denn es wird leicht übersehen, dass Mittelständler gerne im Verborgenen innovieren.

Im Mittelstand gibt es eine Reihe von spannenden Digitalisierungsprojekten

Immer häufiger investieren inzwischen mittelständische Unternehmen in digitale Technologien, um auf die rasanten Veränderungen zu reagieren, die nunmehr fast alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche erfasst haben. Was unserer Ansicht nach fehlt, ist der Austausch über erfolgreiche Strategien für digitale Innovationen im Mittelstand und eine Sichtbarkeit von spannenden Initiativen, die für andere als Vorbild gelten können. Es gibt eine Reihe von bemerkenswerten Digitalisierungsprojekten, von denen bisher kaum jemand weiß. Das motivierte uns zu dieser Studie, in der wir Erfolgsbeispiele von Digitalisierungsprojekten aus dem Mittelstand untersuchen.  Dafür haben wir Interviews mit den verantwortlichen Unternehmern, Geschäftsführern oder Managern durchgeführt und diese anschließend ausgewertet. Ergänzend wurden alle interviewten Personen noch vor der Kamera interviewt. Herausgekommen sind insgesamt fünf Fallbeispiele von Digitalisierungsprojekten, die Großunternehmen in nichts nachstehen und ihnen in manchen Bereichen vielleicht sogar einen Schritt voraus sind.

Die analysierten Unternehmen der Studie sind unterschiedlich groß, kommen aus verschiedenen Branchen, bedienen verschiedene Kundensegmente und entstammen jeweils aus anderen geografischen Regionen. Damit bilden sie die mittelständische Wirtschaft Deutschlands in angemessener Weise ab. Das erste Fallbeispiel zeigt, wie es einem international führenden Familienunternehmen der Haushaltsgeräteindustrie gelungen ist, mittels einer digitalen Smartphone-App ein Zugangskontrollsystem für Mülltonnen stark zu vereinfachen. In der zweiten Fallstudie stellen wir vor, wie ein traditionelles Maschinenbauunternehmen durch die Einführung von Augmented-Reality-Brillen seinen Kundenservice verbessern konnte. Doch nicht nur die Prozessabläufe zwischen Unternehmen und Kunde lassen sich durch Digitalisierung verbessern. Fallstudie drei macht deutlich, wie durch die Einführung eines digitalen Wikis die Kommunikation in interdisziplinären Teams optimiert werden konnte und parallel, dazu die MitarbeiterInnen befähigt wurden proaktiver zu arbeiten. Das vierte Fallbeispiel beschreibt einen klassischen deutschen Maschinenbauer, der es geschafft hat, durch den Einsatz einer cloud-basierten Plattform die Produktivität seiner eingesetzten Maschinen bei seinen Kunden vor Ort zu steigern. In der letzten Fallstudie geht es wiederum um ein traditionsreiches norddeutsches Verlagshaus, das dank einer digitalen Anzeigenplattform nun auch online auf wichtige Anlässe (wie z. B. Geburten, Konfirmationen oder Hochzeiten) im Leben seiner KundInnen aufmerksam machen kann.

Für Digitalisierung gibt es kein allgemeingültiges Erfolgsrezept

Unsere Ergebnisse zeigen, dass es für digitale Innovation im Mittelstand kein allgemeingültiges Erfolgsrezept gibt. Gerade weil die Welt der kleinen und mittelgroßen Unternehmen so vielfältig ist, bedarf es individueller Lösungen für individuelle Herausforderungen. Bedingt durch andersartige Produkte, Geschäftsmodelle oder Markt- und Branchenbedingungen kommt es bei Digitalisierungsprojekten stets auf den jeweiligen Kontext an, in dem sich ein Unternehmen befindet. Je agiler und innovativer die Projekte sind, desto weniger kommen Standardlösungen infrage.

Das Gütesiegel „Made in Germany” steht überall auf der Welt für Qualität und Perfektion. Es steht für Produkte, die im Idealfall von Anfang an perfekt funktionieren. Die Untersuchung hat ebenso ergeben, dass klassisches deutsches Ingenieursdenken und Digitalisierung jedoch nicht (immer) zusammenpassen. Digitalisierung favorisiert in vielen Fällen Schnelligkeit, Agilität und Lernen vor Perfektion und minutiöser Planung. Letztgenanntes dominiert nach wie vor in vielen KMU, nicht jedoch bei den untersuchten Unternehmen unserer Studie.

Außerdem konnten wir feststellen, dass Mittelständler in puncto Digitalisierung häufig ein stark kunden- und projektorientiertes Handeln an den Tag legen. Entgegen der üblichen Vorgehensweise von Großkonzernen, die in jüngster Vergangenheit oftmals im ersten Schritt ganze Abteilungen für Digitalisierung aufgebaut haben, starten Mittelständler in der Regel aufgrund von konkreten Bedürfnissen, Wünschen oder Problemstellungen ihrer Kunden mit ihren Digitalisierungsprojekten. Ein Vorteil, der sich daraus ergibt, ist unter anderem eine engere Verzahnung mit dem Kerngeschäft und eine für gewöhnlich direkte Anbindung an die Unternehmensspitze.

Mit Digitalisierung zu beginnen, ist der vermeintlich wichtigste Schritt

Mit Digitalisierungsprojekten zu beginnen, ist der vermeintlich wichtigste Schritt. Die fünf vorgestellten Unternehmen unserer Studie haben durch ihre Initiativen Mut bewiesen, Durchhaltevermögen an den Tag gelegt und mussten zum Teil schwierige Phasen überwinden. Digitalisierungsvorhaben kosten Zeit und Geld und dauern meistens länger als geplant. Von Beginn an ist es daher wichtig, für eine solide Finanzierung zu sorgen oder die MitarbeiterInnen aktiv in die Projekte zu involvieren, denn nur mit ihnen gemeinsam kann der digitale Wandel im eigenen Unternehmen gelingen. Überraschend für uns war die Tatsache, dass in nahezu allen Projekten positive Nebeneffekte aufgetreten sind und dadurch bestimmte Veränderungen ausgelöst wurden, die anfänglich keinesfalls geplant waren. Außerdem wurde deutlich, dass Kooperationen mit Startups für Mittelständler verschiedene handfeste Vorteile bieten können.

Interesse? Hier entlang geht’s zur Studie!

Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

Martin Wrobel, Prof. Dr.

Assoziierter Forscher: Innovation, Entrepreneurship & Gesellschaft

Alexander T. Nicolai, Prof. Dr.

Ehem. Assoziierter Forscher: Innovation & Entrepreneurship

Janis Stöckle

Ehem. Studentischer Mitarbeiter: Innovation & Entrepreneurship

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