Digitaler Salon: Kino unchained. – Lösen diese Clips Hollywood ab?
Können Internet und Kinos nebeneinander bestehen? Wie verändert das Netz den Film? Im Januar widmet sich der Digitale Salon den bewegten Bildern und ihrem Weg von der Leinwand auf Laptops und Tablets.
Drei, zwei, eins … klick. Früher ging’s ins Kino, heute wird der Streamingdienst angeschmissen. Filme und Serien konsumiert in Häppchen und diskutiert im Live-Chat. Schaffen Netflix, Vine und Youtube Kino und Glotze ab?
In der Vorbereitung auf unsere Diskussion am 29. Januar 2014, 19 Uhr (HIIG | Bebelplatz 1) haben wir einige unserer Doktoranden und Mitarbeiter gefragt, was sie von der Veränderung der Film- und Medienlandschaft halten und an welchen Clips sie ihre Meinung festmachen. Wir freuen uns über Ihre Leserkommentare per Social Thinking tool und wollen Ihnen im Vorfeld des Digitalen Salon ermöglichen, den Diskutanten Denkanstöße zu geben. Ob sich einer unserer Gäste auf Ihre Meinung bezieht, sehen Sie am 29. Januar hier im Livestream oder in den Räumlichkeiten des HIIG.
Benedikt Fecher (Doktorand)
Ich sehe nicht, dass Clip-Streaming den Filmabend ablöst. Bei dem Gedanken an 5-Minuten Video-Pingpong und Live-Chat mit Freunden muss ich vor Zorn meine Mate auf den Bildschirm prusten. Wo ist denn das bitte ‘Film unchained’? Ich sage nicht, dass ich keine lustigen Youtube–Videos schaue oder, dass es keine exciting new formats gäbe – insbesondere das finde ich sehr spannend. Ich streame auch lieber, anstatt in die Videothek zu rennen. Und keine Frage, Produktion ändert sich, Konsum ändert sich, Formate ändern sich und selbst Fernsehstudios ändern sich. Aber wenn ich einen Filmabend mache, dann will ich 90 Minuten bestrahlt werden. One way. Alle sind ruhig, essen Popcorn und schauen den Film. Nur beim Tatort darf man Twittern. Irgendwie muss man seinen Frust ja loswerden.
Hannfried Leisterer (Doktorand)
Kino unchained. Neue Konsumwege für ein altes Medium? Die Frage berührt nicht nur das Verhältnis von altem Wein und neuen Schläuchen (und umgekehrt). “Medien bestimmen unsere Lage, die (trotzdem oder deshalb) eine Beschreibung verdient”, wie der bedeutende Medientheoretiker Friedrich Kittler 1986 im Vorwort von “Grammophon, Film, Typewriter” pointiert formulierte.
Doch wie lässt sich die Lage beschreiben?
In “Bleeding Edge”, dem jüngsten Roman von Thomas Pynchon, dem amerikanischen Autor mit einem seismographischen Gespür eigener Art für Phänomene, die mit der Postmoderne subsumiert werden, gibt sich der Filmer Reg Despard prophetisch: “Future of film, if you want to know – someday, more bandwidth, more video files up on the Internet, everybody’ll be shootin everything, way too much to look at, nothin will mean shit.” Eric, der übergeek Hacker und “sherpa” des versteckten Internets Deep Web sagt an anderer Stelle paradigmatisch für den pessimistischen Ansatz: “Look at it, every day more lusers than users, keyboards and screens turning into nothin but portals to web sites for what the Management wants everybody addicted to, shopping, gaming, jerking off, streaming endless garbage …”
Dies muss nicht die abschließende Diagnose einer vernetzten Gegenwart und Zukunft sein. Bei einem Medium wie YouTube besteht im Vergleich zu einem 90-Minüter eher die Wahrscheinlichkeit auf intelligente Filme und Kurzfilme zu stoßen oder auf Formate, die Idee, Sehen und Hören neuartig verknüpfen. Geschichten können anders erzählt werden und Medien, die sich aus nutzergeneriertem Inhalt speisen, können dann vorzugswürdiger sein.
Hinsichtlich der damit einhergehenden Folgen im Bereich des Medienverhaltens und -konsums wird man, um dystopische Bilder à la Pynchon zu vermeiden, auf die Bildung von Medienkompetenz auch beim Streamen setzen müssen.
Wo aber die neuartigen Ideen so herkommen können, zeigt folgender kurzer Film (zugegeben, die alte Kategorie ‘Unterhaltungswert’ wird an der ein oder anderern Stelle zu überdenken sein):
Urs Kind (Studentischer Mitarbeiter)
Ganz spontan ist mir das aktuelle Musikvideo von Pharell Williams eingefallen. Es ist ein Beispiel für eine neue Art der Rezeption, die so nur im digitalen Raum des Internets möglich ist.
Das Video hat eine Länge von 24 Stunden, der Song selber geht ca. 4 Minuten und wird immer wiederholt. Die Bildebene aber entspricht dem tatsächlichen Lauf der Zeit, der Sonnenaufgang im Video findet also so gegen 7 Uhr morgens statt. Der User kann aber an jede beliebige Zeit des Tages springen. Die Webseite spielt also mit der Auflösung des gezwungen linearen Sehens, verweist gleichzeitig deutlich auf die Linearität der realen Zeit und macht einfach Spaß anzuschauen.
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