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Blindspot Nachhaltigkeit: Die Ökobilanz von KI messbar machen
Effizient, smart, umweltfreundlich? Künstliche Intelligenz wird oft als Lösung für die großen Herausforderungen unserer Zeit gehandelt, auch im Kampf gegen den Klimawandel. Doch hinter der glänzenden Zukunftsvision verbirgt sich ein blinder Fleck: KI verbraucht enorme Mengen an Energie, produziert CO₂-Emissionen und bleibt in ihrer Umweltbilanz weitgehend intransparent. Viele wissen nicht, dass der Betrieb von KI-Systemen schon heute weltweit einen messbaren und rasant wachsenden ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Dennoch fehlen verlässliche Daten, geeignete Messmethoden und verbindliche Standards, um diesen Impact zu erfassen. Fest steht: Wer KI verantwortungsvoll gestalten und einsetzen will, muss auch ihre Nachhaltigkeit in den Blick nehmen. Dieser Artikel zeigt, warum KI-Politik immer auch Nachhaltigkeitspolitik sein muss. Was muss sich ändern, damit das gelingt?
In jeder Phase des Lebenszyklus eines KI-Systems werden Ressourcen verbraucht: von der Herstellung der Hardware, dem Bau von Rechenzentren, bei der Entwicklung und dem Training von KI-Modellen sowie bei ihrer späteren Nutzung. Am Ende der Kette steht der Elektroschrott veralteter Hardware. All diese Schritte benötigen seltene Erden, Energie und Wasser und müssten in die Nachhaltigkeitsberechnungen von KI-Systemen miteinbezogen werden (Smith & Adams, 2024). Dabei gilt es zu beachten, dass Nachhaltigkeit viele Facetten hat. Sie umfasst ökologische, soziale und ökonomische Bereiche. In diesem Blogbeitrag liegt der Fokus auf dem Umweltschutz – also auf der ökologischen Dimension. Es geht darum, wie wir Ressourcen schonen und die Natur bewahren können.
KI und ökologische Nachhaltigkeit — Was wir (nicht) wissen
Lange galt Künstliche Intelligenz als technologische Hoffnung für die grüne Wende. Zunehmend werden jedoch auch die massiven Auswirkungen der Technologie auf die Umwelt kritisch diskutiert. Inwiefern sich der öffentliche Diskurs über KI in Deutschland verschiebt, wurde bereits auf unserem Digital Society Blog hervorgehoben (Liebig 2024).
Wenig bekannt ist jedoch, wie hoch der Ressourcenverbrauch von KI tatsächlich ausfällt. Denn konkrete Daten und Zahlen dazu fehlen weitgehend. Diese Information bleibt meist unter Verschluss. Betreiber von KI-Anwendungen und Rechenzentren, von denen mehr als ein Drittel in den USA liegen (Hajonides et al., 2025 ), wie beispielsweise Google oder Meta, geben kaum Einblick in ihren tatsächlichen Verbrauch. Der ökologische Fußabdruck von KI kann deshalb bisher eher geschätzt als gemessen werden (Smith & Adams, 2024). Erschwerend kommt hinzu: Es fehlen Methoden, um die Umweltwirkungen von KI entlang des gesamten Lebenszyklus verlässlich zu messen (Kaack et al., 2022). Um diese Gesamtheit zu erfassen, müssen sowohl Ressourcenverbrauch als auch entstehende Emissionen, beispielsweise durch Energieerzeugung für das Betreiben von Rechenzentren, einkalkuliert werden (Smith & Adams, 2024).
KI für den Umweltschutz?
Ein einfaches Schwarz-Weiß-Denken über KI ist dabei nicht hilfreich. Es gibt auch KI-Projekte, die die Technologie bewusst zum Schutz der Umwelt einsetzen. Auf unserem Digital Society Blog haben wir einige Beispiele für solche Anwendungen vorgestellt. Künstliche Intelligenz kann so etwa helfen, Leckagen in Abwasserkanälen zu erkennen und so Trinkwasser und Ökosysteme vor Verunreinigungen zu schützen. Oder sie wird genutzt, um Lebensräume bedrohter Tierarten aufzuspüren und besser zu bewahren (Kühnlein & Lübbert, 2024).
Gleichzeitig gilt: Auch diese Anwendungen arbeiten mit derselben Technologie, die viel Energie und Ressourcen verbraucht. Deshalb lässt sich ihr tatsächlicher Einfluss auf die Umwelt nur schwer bestimmen. Es fehlen belastbare Daten, um den Nutzen für den Umweltschutz und den Ressourcenaufwand über den gesamten Lebenszyklus abzuwägen. Macht das diese KI-Anwendungen unnachhaltig?
Die Ökobilanz von KI messbar machen
Genau hier setzt das neue Forschungsprojekt Impact AI: Evaluation der gesellschaftlichen Wirkung von KI-Systemen für Nachhaltigkeit und Gemeinwohl unter der Leitung von Theresa Züger an. Es wird vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) in Zusammenarbeit mit Greenpeace und dem Gemeinwohlökonomie e.V. durchgeführt. Über einen Zeitraum von fünf Jahren untersucht das Projekt insgesamt 15 KI-Initiativen aus verschiedenen Bereichen. Ziel ist es, deren tatsächliche Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt systematisch und umfassend zu bewerten.
Dafür wird eine Methode entwickelt, die Indikatoren wie Energieeffizienz oder durch das KI-System verursachte Emissionen mit der qualitativen Bewertung ethischer und sozialer Aspekte kombiniert. Auf diese Weise sollen sowohl die Nachhaltigkeit von KI als auch Aspekte um Nachhaltigkeit durch KI sichtbar gemacht werden. Dadurch werden Potenziale und Stärken, aber auch die Grenzen von KI-Projekten greifbar, die einen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Gemeinwohl leisten wollen. Denn auf beiden Seiten – sowohl bei der Frage, wie nachhaltig KI-Systeme selbst sind, als auch bei der Bewertung ihres Beitrags zu Umweltzielen – fehlt es bisher an klaren Daten und Kriterien. Das stellt nicht nur die Endnutzer*innen vor Herausforderungen, sondern besonders auch jene Organisationen, die KI nachhaltig und verantwortungsbewusst entwickeln wollen.
Wie geht nachhaltige KI?
Wie kann man ökologische Nachhaltigkeit und KI zusammenbringen? Erste Ansätze und Ideen wurden im Rahmen eines Workshops auf der Konferenz Yes, we are open?! Künstliche Intelligenz verantwortungsvoll gestalten entwickelt. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Berlin University Alliance, der Universität Wien, Wikimedia, dem Weizenbaum Institut und dem Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Im Mittelpunkt stand der Zusammenhang zwischen Künstlicher Intelligenz, offenem Wissen und Wissenschaft. Konkret ging es auch um die Frage, inwiefern der freie Zugang zu Forschungsergebnissen und Daten die faire und nachhaltige Gestaltung von KI bedingt.
Eine vom HIIG moderierte Diskussion formulierte gemeinsam mit den Teilnehmenden aus Wissenschaft, zivilgesellschaftlichen Organisationen und NGOs mögliche Forderungen an die Politik, um den Diskurs über die ökologische Verantwortung von KI zu verbessern.
Ein Monitor für mehr Bewusstsein?
Eine der formulierten Forderungen rückt den Ressourcenverbrauch von KI-Systemen in den Mittelpunkt: Wie kann dieser Verbrauch transparenter gemacht werden? Besonders gegenüber Nutzer*innen von KI, die die Nutzung von KI gegen die Umweltbelastungen abwägen möchten. Würden Menschen ChatGPT oder andere KI-Anwendungen genauso oft nutzen, wenn sie wüssten, dass ein Gespräch mit einem KI-Chatbot bis zu 500 ml Wasser verbrauchen kann (Li et al., 2023)?
Diese Form der direkten Rückmeldung könnte – ähnlich wie beim Konzept der „Flugscham“ – zu einer kritischeren Haltung gegenüber dem eigenen KI-Konsum führen. Allerdings: Wer ohnehin im Arbeitsalltag auf KI-Anwendungen angewiesen ist, etwa, um produktiver zu arbeiten, Texte schneller zu generieren oder Entscheidungen zu automatisieren, hat womöglich gar nicht die reelle Wahl, bewusst zu verzichten.
Eine Individualisierung des Problems birgt die Gefahr einer Verschiebung der Verantwortung. Die Last der Nachhaltigkeitsproblematik von KI wird dadurch auf die Nutzenden verlagert. Strukturelle Hebel wie die Verantwortung von Anbietern, transparente Verbrauchsdaten offenzulegen, oder von politischen Institutionen, verbindliche Umweltstandards für KI festzusetzen, rücken dabei in den Hintergrund.
Ein Verbrauchsmonitor für Nutzer*innen wäre also sicher nicht die eine Lösung. Er könnte aber das Bewusstsein für die Verbindung zwischen KI-Nutzung und Ressourcenverbrauch stärken. Und genau dieses Bewusstsein ist eine wichtige Voraussetzung, um die öffentliche Debatte über die ökologischen Folgen von KI voranzubringen.
Der Elefant im Raum: Mangelnde Transparenz, fehlende Daten
Bei der Entwicklung eines akkuraten Verbrauchsmonitors bleibt allerdings eine zentrale Hürde: Es fehlt an verlässlichen Daten und an Transparenz über die ökologischen Auswirkungen von KI.
Einigkeit bestand in der Diskussionsrunde schnell darüber, dass es unabhängige Messungen braucht. Ein wichtiger Hebel dafür wäre mehr Information über die Rechenzentren, die KI-Systeme betreiben: Wie viel Leistung fließt in KI-Anwendungen? Wo stehen die Server? Woher stammt der Strom? Wie viel Wasser wird verbraucht? Diese Fragen bleiben meist unbeantwortet, da Betreibende solche Daten nicht offenlegen. Eine Chance auf mehr Daten bietet das Rechenzentrum Register, das unter der europäischen Energieeffizienzrichtlinie vorgesehen ist, um eine europäische Datenbank für Rechenzentren zu schaffen. Mit dem Ziel mehr Transparenz zu schaffen, sind Betreiber in Deutschland inzwischen verpflichtet, sich in das Register einzutragen und jährlich Angaben etwa zu Energieverbrauch und Abwärmenutzung an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zu melden. Allerdings wird bislang nicht differenziert ausgewiesen, wie viel Rechenleistung für KI-Systeme verwendet wird.
Die Forderung nach Reporting- und Dokumentationsstandards bleibt daher bestehen. Diese müssen einheitlich sowie ganzheitlich sein. Nur so lassen sich die Umweltauswirkungen über den gesamten KI-Lebenszyklus hinweg erfassen und vergleichen. Gleichzeitig sollten solche Messungen nicht länger allein der Branche überlassen werden. Um Greenwashing zu verhindern, müssen unabhängige oder öffentliche Stellen die Bewertungen übernehmen.
KI-Politik ist Nachhaltigkeitspolitik
Um diese Forderungen umzusetzen, braucht es ein Umdenken. Die ökologische Nachhaltigkeit von KI muss als Risiko von der Politik anerkannt werden. Denn wo KI-Systeme mit hohem Ressourcenverbrauch operieren, betrifft das auch Fragen der Umweltverantwortung. Deshalb gilt: KI-Politik ist auch Nachhaltigkeitspolitik.
Was könnten Gesetzesgeber also tun? Bestehende Infrastrukturen zur Umweltbewertung und existierenden Umweltanreizsystemen könnten erweitert und auch auf KI übertragen werden. Dazu gehört beispielsweise eine konsequente Ökobilanzierung digitaler Dienste, wofür im Bauwesen schon entsprechende Tools zur Verfügung gestellt werden. Dafür müsste die gesamte digitale Lieferkette – also alles, was zur Bereitstellung von KI-Systemen nötig ist – offengelegt und in die Bilanzierung aufgenommen werden. Auch könnte die CO2-Bepreisung auf digitale Dienstleistungen ausgeweitet werden, besonders auch auf solche, die außerhalb Europas erbracht werden. Damit würden auch Emissionen berücksichtigt, die in außereuropäischen Rechenzentren entstehen. Entsprechende Mechanismen für den CO2-Grenzausgleich existieren in der EU bislang nur für bestimmte Industrieprodukte wie Stahl oder Düngemittel.
Der Blick nach Vorne
Während der Diskussion war auch eine gewisse Unzufriedenheit spürbar. Viele Teilnehmende kritisierten, dass politische Prozesse nur langsam vorankommen und dass ein konsequentes Nachhaltigkeitsdenken im Umgang mit KI bislang fehlt. Viele stellten sich die Frage, wie sie selbst – als Einzelpersonen oder Organisationen – Verantwortung übernehmen können.
Doch es gab auch Aufbruchsstimmung. Unter den Teilnehmenden kam Motivation auf, gemeinsam für mehr Transparenz bei den Umweltauswirkungen von KI einzutreten, den öffentlichen Diskurs zu stärken und dafür zu sorgen, dass KI- und Umweltpolitik künftig stärker zusammen gedacht werden. Besonders die Wissenschaft kann hier eine treibende Rolle spielen – etwa, indem sie Methoden zur Bewertung des Ressourcenverbrauchs von KI weiterentwickelt und verständlich macht.
Aus diesem gemeinsamen Anliegen ist das Netzwerk „KI und Nachhaltigkeit“ entstanden. Forschende und Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen haben sich zusammengetan, um sich künftig regelmäßig auszutauschen, Entwicklungen kritisch zu begleiten und konkrete Impulse zu setzen. Ihr Ziel: Die ökologische Verantwortung von KI dauerhaft auf die politische und gesellschaftliche Agenda bringen – nicht irgendwann, sondern jetzt.
Referenzen
Hajonides, J.; McCarthy, J.; Koulouri, K., Camargo, R. (2025) Navigating AI´s Thirst in a Water-Scarce World. A Governance Agenda for AI and the Environment. https://www.naturefinance.net/resources-tools/navigating-ais-thirst-in-a-water-scarce-world/
Kaack, L. H., Donti, P. L., Strubell, E., Kamiya, G., Creutzig, F., & Rolnick, D. (2022). Aligning artificial intelligence with climate change mitigation. Nature Climate Change, 12(6), Article 6. https://doi.org/10.1038/s41558-022-01377-7.
Kühnlein, I. & Lübbert B. ( 2024). Ein kleiner Teil von vielen – KI für den Umweltschutz. DIGITAL SOCIETY BLOG. Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. doi: 10.5281/zenodo.13221001.
Li, P., Yang, J., Islam, M. A., & Ren, S. (2023). Making AI Less „Thirsty“: Uncovering and Addressing the Secret Water Footprint of AI Models. arXiv. http://arxiv.org/abs/2304.03271.
Liebig, L. (2024). Zwischen Vision und Realität: Diskurse über nachhaltige KI in Deutschland. DIGITAL SOCIETY BLOG. Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. doi: 10.5281/zenodo.14044890.
Smith, H. & Adams, C. (2024). Thinking about using AI?. Here’s what you can and (probably) can’t change about its environmental impact. Greenweb Foundation. Online: https://www.thegreenwebfoundation.org/publications/report-ai-environmental-impact/ (Abgerufen am 14.04.2024).
Dieser Beitrag spiegelt die Meinung der Autorinnen und Autoren und weder notwendigerweise noch ausschließlich die Meinung des Institutes wider. Für mehr Informationen zu den Inhalten dieser Beiträge und den assoziierten Forschungsprojekten kontaktieren Sie bitte info@hiig.de

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